Business Angels
Claudia Baumgart

Business Angel aus Zürich
Mein größtes Learning ist auf jeden Fall, dass man als Business Angel mit dem Gründerteam klicken muss.
Claudia Baumgart
teilt ihre Erfahrungen als Business Angel

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Claudia Baumgart: „Follow-on-Runden sind natürlich unheimlich wichtig, denn nach der Finanzierungsrunde ist vor der Finanzierungsrunde. Außerdem wollen wir natürlich auf einen erfolgreichen Exit hinarbeiten.
Als Business Angel hat man häufig nicht das Kapital, teurere Follow-on-Runden selbst zu finanzieren. Was ich aber viel mache: entsprechend netzwerken mit VCs und potenten Family Offices. Da stelle ich meine Investments zeitnah vor, vielleicht auch deutlich vor der nächsten Finanzierungsrunde, um das Interesse an einer künftigen Runde abzuklopfen.
Was ich auch mittlerweile öfters mache, weil das ganz spannend ist: dass man eine Art ‚finder’s fee‘ bekommt. Das bedeutet, dass man sogar als Business Angel daran verdienen kann, wenn man neue Investoren an Bord bringt. Ein Beispiel: wenn ich einen Investor für eine Million Euro anbringe und 1% finder’s fee bekomme, sind das EUR 10.000. Dieser Betrag wird aber nicht bar ausgezahlt, sondern konvertiert dann in Anteile.
Das ist tatsächlich das erste Mal, dass ich mich mit so einem Modell auseinandersetze. Ich finde das aber sehr spannend, weil ich dann natürlich einen noch größeren Anreiz habe, die nächsten Investoren mit an Bord zu bringen.“

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Claudia Baumgart: „Als erstes schaue ich mir den Markt an: ist der Markt groß genug und wächst er auch weiter? Dann gibt es natürlich das Thema, welche Konkurrenten und auch welche Eintrittsbarrieren existieren. Wie sind beispielsweise bei einem reiferen Markt bisher die Marktanteile verteilt?
Dann schaue ich mir bei der Due Diligence ganz wichtig das Gründungsteam als solches sowie die Mitarbeiter an: was ist deren Hintergrund und was sind ihre Qualifikationen? Haben die schon mal früher zusammengearbeitet und möglicherweise sogar schon gegründet?
Wichtig bei der Due Diligence sind aber auch die Advisor, die das Team möglicherweise für sich bereits gewinnen konnte. Sind das Menschen mit einem Hintergrund aus der relevanten Industrie, oder vielleicht sogar potente Business Angels, die den Gründern auf dem Weg gute Hinweise geben und anders unterstützen können?
Als Drittes ist natürlich bei der Due Diligence das Geschäftsmodell wichtig: was ist das Problem, was ist die Lösung? Existiert das Problem wirklich oder erfinden die Gründer das sozusagen? Dahinter steht dann die Frage des Revenue Modells: wie verdient das Unternehmen Geld? Ist das zum Beispiel ein Abo-Modell, ist es projektbasiert oder sind es einfach normale Verkaufsumsätze? Das ist alles wichtig zu verstehen.
Als Viertes schaue ich mir dann das Produkt selbst an. Das kann eine App, eine Software oder ein physisches Produkt sein. Hat das Produkt, der Service oder die Technologie einen USP? Worin unterscheidet sich das Produkt von Wettbewerbern und gibt es da Eintrittsbarrieren oder kann man das einfach nachmachen?
Als fünfter Punkt der Due Diligence schau ich den Zielkunden an. Wer wird eigentlich adressiert – ist das ein B2B-Kunde oder ein B2C-Kunde? Ist es ein Nischen- oder ein Massenprodukt?
Dann ist die Frage, wie die Go-To-Market-Strategie ist. Wie funktioniert der Sales-Prozess und wie das Marketing? Vor allem bei SaaS-Modellen ist mir aufgefallen, dass man ja oft einen begrenzten Zielmarkt hat. Da ist wichtig, ob man genug Unternehmen von seiner Lösung überzeugen kann, um entsprechend zu wachsen.
In Abhängigkeit von der Phase des Startups ist auch der Business Case als solches sehr wichtig. Die Gewinn- und Verlustrechnung sowie die Vorhersagen. Die Frage, wie schnell das Unternehmen wachsen will und wie realistisch diese Pläne sind. Wie hoch sind die Margen und wann plant das Unternehmen den Break Even? Wie sieht die Liquiditätsplanung aus und wie lange reicht das Geld der Finanzierungsrunde? Wann muss das nächste Fundraising angesetzt werden?
Auch sehr wichtig sind die Themen KPIs und Traction im Zusammenhang mit dem Business Case. Ganz häufige Metriken sind Customer Acquisition Costs, Customer Lifetime Value, Churn (also Kundenverlust), bei Apps dann zum Beispiel Downloads und Monthly Active Users usw. Der Umsatz wird dann manchmal als Monthly Recurring Revenue (MRR) oder Annual Recurring Revenue (ARR) ausgewiesen. Das sind alles mögliche KPIs.
Was viele unterschätzen, sind die beiden Dinge Deal Terms und Bewertung. Klar ist, als kleiner Business Angel wird man nicht großartig die Bewertung vorgeben können. Aber trotzdem sollte man sich das genau anschauen, wie die Bewertung zu einem passt, wie viel Potential nach oben man noch sieht – oder ist das Startup jetzt schon zu hoch bewertet, so dass eine mögliche nächste Runde gar nicht mehr stattfinden kann?
Gerade am Anfang kann man ja noch nicht mit klassischen Multiples arbeiten wie zum Beispiel 3-4x Umsatz – oder bei Software noch deutlich höher wie beispielsweise 12-20x Umsatz – sondern da geht es ja viel mehr um die Frage, wie viele Anteile die Gründer bereit sind abzugeben. Da muss man für sich entscheiden, ob das Sinn macht – und ob das später für VCs attraktiv sein wird.
Weiter sind natürlich die Gesellschafterrechte wichtig, wie zum Beispiel Anti-Dilution (Verwässerungsschutz). Aber auch da muss man vorsichtig sein und nicht zu gute Terms für sich selbst heraushandeln, weil das später nachfolgende Investoren abschrecken könnte, die dann deswegen nicht mehr ins Startup investieren wollen.
Ein weiterer Punkt ist sehr wichtig: Cap Table-Strategie. Da schaut man, welche Investoren schon investiert sind und welche Investoren in dieser Runde reingehen wollen. Ich sage immer: nach der Finanzierungsrunde ist vor der Finanzierungsrunde. Das heißt, die Investoren müssen in der Lage sein, die nächste Runde zu finanzieren oder entsprechende Partnerschaft mit anderen Investoren haben, die eine nächste Runde finanzieren können.
Zuletzt die Frage der Exit-Strategie. Ist das beispielsweise ein Fall für einen Börsengang (IPO) oder wird das Startup eher künftig mal an einen strategischen Investor verkauft? Ist alternativ ein Zusammenschluss mit einem anderen Startup in der Zukunft sinnvoll. Da sollte man sich schon während der Due Diligence als Angel mal Gedanken machen, welchen Exit-Case es geben könnte.“

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Claudia Baumgart: „Ich glaube im Bereich von Retail-Tech ist die größte B2C-Welle vorbei. Es wird natürlich weiterhin spannende B2C-Modelle auch im Retail-Tech-Bereich geben, wie zum Beispiel Gorillas, Flink, Getir usw. – und natürlich auch so etwas wie HelloFresh hat weiter eine hohe Relevanz.
Direct to Consumer sehen wir derzeit ganz stark bei Amazon-Konsolidatoren. Die sprießen ja geradezu wie Pilze aus dem Boden. Startups wie SellerX, Razor Group usw. Das ist aus meiner Sicht gerade der Hype auf der B2C-Seite.
Dann gibt es noch das ganze Thema Social Selling, Social Commerce, Livestream Commerce – und zuletzt ganz neu das Thema Metaverse und NFTs. Da kann ich selbst noch keine Prognose abgeben. Es ist ein Hype, aber vielleicht sehr spannend – und sollte man sicher nicht ignorieren. Kurzfristig wird so etwas häufig überschätzt, dafür langfristig unterschätzt. Insofern werde ich mich damit auseinandersetzen und das Thema als Investor verstehen wollen – selbst wenn ich am Ende nicht investieren sollte.
Auf der B2B-Seite, oder wie ich sie auch manchmal nenne: der Backend-Seite, sehe ich ganz viel das Thema der Tech-Infrastruktur. Der Tech-Stack ist selbst bei vielen eCommerce- oder Digital Native-Unternehmen nicht optimal.
Dann sehe ich ganz viel die Themen Store Analytics und Store Operations, um das deutlich smarter zu machen und noch mehr mit der Onlinewelt zu verbinden.
Fulfilment und Last Mile, insbesondere für Gorillas, Flink und Co. – kann man das möglicherweise langfristig durch Roboter ersetzen? Kann man den Vorgang im Dark Store möglicherweise effizienter machen?
Dann gibt es noch die Themen Merchandise und Inventory Management. Auch sehr spannend gerade alles rund um Retail Media, also Shopper Marketing, Shopper Analytics und Shopper Insights. Douglas oder Macy’s haben da zum Beispiel sogar schon eigene Units dafür. In Berlin gibt es das Startup Unea, die in diesem Bereich unterwegs sind. Diese Themen sind vielfältig und spannend.
Zuletzt gehören auch angrenzende Themen wie Online-Payment, Versicherungen usw., wo es in den kommenden Monaten und Jahren spannende Startups geben, in die man als Business Angel investieren kann.“

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Claudia Baumgart: „Bei mir war es eine Sondersituation, weil ich bereits im Venture Capital-Bereich tätig war und somit sehr guten Zugang zu Dealflow hatte, zu Investorennetzwerken, zu Venture Capital Fonds, zu Family Offices und natürlich zu Startups.
Was man aber auch machen kann und was ich auch mache: sich proaktiv mit einem Sektor auseinandersetzen, der mich besonders interessiert. Das ist bei mir zum Beispiel Retail-Tech oder Food-Tech. Dann fange ich selbst aktiv an diesen Markt zu scannen, welche Unternehmen es in diesem Bereich gibt, und was ich davon als Business Angel machen könnte.
Davon mache ich dann erst Long Lists, diese dann anhand gewisser Kriterien zu Short Lists und dann schreibe ich die Firmen auch proaktiv an. Da stelle ich mich dann so vor: ‚Hallo, ich bin Investorin bzw. Business Angel. Ich habe folgende Kenntnisse und Fähigkeiten, mit denen ich euch weiterhelfen könnte. Wann raised ihr die nächste Runde und hättet ihr Interesse, dass ich da mit dabei bin?‘
Da wirklich auch selbst proaktiv auf Startups zuzugehen, das machen sehr wenige. Viele sind da eher reaktiv und warten darauf, dass Deals über die eigene Pipeline hereinkommen. Ich habe dagegen schon diverse Deals selbst proaktiv angestoßen und dann gemacht. So lange man ein LinkedIn-Profil hat, ist das gut machbar.“

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Claudia Baumgart: „Ich habe für ein großes Family Office in Lateinamerika gearbeitet, was ursprünglich sein Vermögen mit Supermärkten gemacht hat. Dadurch bin ich ganz stark in das Thema Retail und Consumer reingerutscht. Das war schon 2015 und seitdem bin ich wirklich in diesem Bereich zu Hause und schau mir das an.
Wenn man das heute erweitert, also Retail und Consumer Tech, dann ist das ein riesiger Bereich. Da gehört Logistik, Supply Chain, Payments, Konsumentenkredite und selbst ein bisschen Versicherung mit dazu. Es dreht sich sehr stark um den Kunden im Mittelpunkt.
Da gibt es dann sowohl B2C als auch B2B-Geschäftsmodelle. Früher waren das ganz stark B2C-Modelle, zum Beispiel eCommerce-Marktplätze. Heute habe ich auch einige SaaS-Startups in meinem Portfolio.“

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Claudia Baumgart: „Mein größtes Learning ist auf jeden Fall, dass man als Business Angel mit dem Gründerteam klicken muss. Egal, wie gut oder schlecht die Firma läuft – als Angel musst du einfach gern mit dem Team zusammenarbeiten. Auch wenn die Zahlen mal nicht stimmen, wenn die Sales nicht so funktionieren.
Dann musst du mit dem Gründerteam gut klicken und gewillt sein, die Firma weiter voranzutreiben, neue Sales zu generieren, neue Kunden zu gewinnen, gemeinsam durch Dick und Dünn zu gehen.
Als Business Angel musst du auch das Gründerteam bei komplexen Fragen unterstützen, zum Beispiel zu Themen wie Vertragsgestaltung, die Erweiterung des Tech-Stacks, neue Umsatzströme schaffen usw. Ich glaube wirklich, die Verbindung mit dem Gründerteam ist einfach unheimlich wichtig, gerade weil man als Business Angel eben sehr nah dran ist.
Ich glaube außerdem, viele Business Angels lassen sich zu leicht von einer spannenden Idee hinreißen und machen dann nicht ihre Hausaufgaben, in wie weit es so etwas schon gibt. Was ich in meine Investment-Analyse stark integriert habe, ist zu schauen: was ist genau das Produkt, welches Problem löst das, haben wir überhaupt Bedarf für diese Lösung und gibt es da einen Markt? Wenn das alles zutrifft, dann schaue ich, ob es so eine Lösung möglicherweise schon gibt.
Gerade wenn die Gründer sehr überzeugend, charmant und eloquent sind, dann ist man schnell hingerissen das direkt zuzusagen. Andererseits gibt es eben viele Lösungen bereits – in ähnlicher Form, in anderen Teilen der Welt oder mit einem leicht anderen Fokus. Da wir in einer Plattformwelt leben und ständig neue Revenue Streams geschaffen werden, ist die Gefahr groß, dass andere Unternehmen in ähnliche Bereiche vorstoßen. Diese Wettbewerbsanalyse mache ich heute wirklich intensiver als früher.
Ein letztes Learning: Bei einem Startup hatten wir eine sehr angespannte Liquiditätssituation, wo das Geld nur noch für etwa vier Monate gereicht hat. Da muss man wirklich darauf achten, dass die Startups so etwas regelmäßig an dich als Business Angel berichten, falls das Funding schneller aufgebraucht ist als ursprünglich geplant.
Bei vielen Startups habe ich auch gemerkt, dass die das Thema Working Capital nicht so genau verstehen. Die sind zwar in ihrer Gewinn- und Verlustrechnung sehr sauber, aber die Working Capital-Berechnung können sie oft noch nicht so gut am Anfang. Da kann man als Business Angel gute Unterstützung leisten.“

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Claudia Baumgart: „Eine der wichtigsten Metriken ist das Verhältnis von Customer Lifetime Value zu Customer Acquisition Costs.
Bei den Customer Acquisition Costs geht es um alle Marketingkosten, die bei einer Kampagne anfallen, um eine bestimmte Anzahl von Kunden zu gewinnen. Das sind zum Beispiel Online-Performance-Marketingkosten, aber auch Kosten für Offline-Marketing wie Flyer usw. Diese gesamten Kosten einer Kampagne teile ich durch die Anzahl der Kunden, die ich mit dieser Kampagne gewinne – das sind die Customer Acquisition Costs.
Nehmen wir hypothetisch an, das sind 40 Euro pro Kunde – und so ein Kunde kauft bei uns regelmäßig ein. Nehmen wir jetzt an, dieser Kunde kauft bei uns viermal im Jahr für jeweils 100 Euro ein, dann sind das im Jahr 400 Euro Umsatz. Davon müssen wir natürlich die Produktkosten abziehen – da nehmen wir jetzt 50% Bruttomarge an und sind so bei einem Wert von 200 Euro.
Wenn der Kunde beispielsweise im Durchschnitt zwei Jahre bei uns bleibt, haben wir einen Customer Lifetime Value von 400 Euro. Setzt man das ins Verhältnis zu den 40 Euro Customer Acquisition Costs, dann hat man ein profitables Geschäftsmodell mit einem Verhältnis von 1:10.
Im besten Fall ist der Kunde bereits nach dem ersten Kauf für das Startup profitabel und man ist nicht von wiederholten Käufen abhängig. Wenn sich so die Customer Acquisition Costs direkt beim ersten Einkauf zurückzahlen, nennt man das First-time Profitability.
Was in diesem Zusammenhang auch wichtig ist: die Customer Retention bzw. der Customer Churn. In der Customer Retention stecken unsere Kunden, die wiederkommen. Der Churn, das sind die Kunden, die irgendwann abspringen (obwohl wir sie teuer eingekauft haben).
Mit dem Churn muss man sich daher auseinandersetzen. Wenn der zu hoch ist, muss man beim Geschäftsmodell oder der Technologie prüfen, ob die gut genug ist und Sinn macht – bzw. wie kann man die verbessern, um den Churn zu reduzieren.“
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